
Nicht zu Unrecht heißt es in Kommentaren über Aktienmärkte, dass der Bärenmarkt möglicherweise noch nicht zu Ende ist. Denn die Gesamtsituation für Wirtschaft und Aktienmärkte hat sich nicht wesentlich verändert, auch wenn die Kurse im Monat Juli richtige Sprünge nach oben vollzogen haben. Weiterhin im Fokus bleiben der seit fünf Monaten andauernde Russland-Ukraine Krieg, die Notenbankpolitik, Inflations- und Wirtschaftsdaten und hinzu kommt noch die Angst vor einer Eskalation des Konflikts zwischen China und Taiwans.
Zunächst stellen wir die Zentralbanken in den Fokus, welche auf die weiterhin viel zu hohen Inflationsraten reagiert und die Leitzinsen angehoben haben. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat mit ihrem Zinsschritt von 0,50 % nach vielen Jahren das negative Zinsumfeld verlassen und die amerikanische Federal Reserve (Fed) hat die US-Leitzinsen erstmalig nach 2018 auf über 2% angehoben. Außerdem haben sowohl die EZB als auch die Fed deutlich gemacht, dass sie in den kommenden Monaten stärker auf die Entwicklung der Daten reagieren werden.
Dies verdeutlicht die hohen Unsicherheiten über die zukünftigen Inflationsentwicklungen. Die vergangenen Zinsanhebungen sorgten in den Märkten für wenig Überraschung, weshalb die Reaktionen sehr moderat ausfielen.
Wenn man die aktuellen amerikanischen Wachstumszahlen betrachtet, stellt sich nicht mehr die Frage, wann die Rezession kommt, sondern wie lange sie andauern wird. Die USA hat aktuell eine inverse Zinsstrukturkurve. Was bedeutet das? Die Zinsen von längerfristigen US-Anleihen (z.B. zehn Jahre) sind geringer als die von kurzfristigen (z.B. sechs Monate oder ein Jahr). Wie kommt es dazu? Eine solche inverse Zinsstruktur entsteht, wenn man langfristig von fallenden Zinsen am Kapitalmarkt ausgeht und somit die Nachfrage nach langfristigen Anlagen, die derzeit besser verzinst werden, merklich höher ist als nach kurzfristigen Anleihen. Durch die damit verbundenen Kurssteigerungen der Langläufer werden gleichzeitig die Renditen geschmälert.

Dieses Szenario ist aus der Historie heraus in der Volkswirtschaft ein Indikator für eine angehende oder bereits vorhandene Rezession.
Eine Rezession spiegelt sich auch im realen Wirtschaftswachstum (GDP) in den USA wider. Nach einem schwachen ersten Quartal mit -1,6% lässt das zweite Quartal mit -0,9% auch nur wenig Euphorie aufkommen. Die Stimmung der Investoren an der Börse, gemessen an den Einkäufermanager-Indizes, befindet sich erstmals seit der Corona-Pandemie wieder auf einem Tiefstand.
Die Inflationsraten in den USA und der Eurozone erreichten mit 9,1% und 8,9% jeweils neue Höchststände seit den 90er Jahren. In den USA ist der deutliche Preisanstieg in allen Bereichen des Lebens erkennbar. Die erhöhten Lebenshaltungskosten verbunden mit einer hohen Anzahl offener Stellen haben zu einem Lohnwachstum von ca. 6 % geführt. Zusätzlich sind die Preise für Mieten in den letzten Monaten merklich gestiegen. Der nur leichte Rückgang bei der Güternachfrage wird kaum ausreichen, um den stabilen Arbeitsmarkt mit über 11 Mio. offenen Stellen merklich abzukühlen.
Obwohl der US Dollar fundamental überbewertet scheint, die EZB die Zinsen mehr als erwartet erhöht hat, das US-Wachstum sich abschwächt und China seine Wirtschaft stimulieren muss, kommt es zu praktisch keiner positiven Reaktion des EURO. Da sich in den letzten Wochen leider zudem eine Reihe von nicht unrealistischen Risikoszenarien für Europa entwickelt haben, die den EURO nochmals deutlich tiefer notieren lassen könnten, sind die Märkte weiter an dem „sicheren Hafen“ in Richtung US Dollar interessiert, was bei dem dort herrschenden Zinsniveau nicht verwerflich ist.
Die Bedrohung eines Angriffs Chinas war für Taiwan schon vorher präsent, aber seit die US-Abgeordnete Nancy Pelosi nach Taipeh gereist ist, macht China noch mehr Druck auf Taiwan. Seit Jahren droht China damit, Taiwan mit dem Festland „wiederzuvereinigen“. Notfalls soll das, wenn es nach Staatschef Xi Jinping geht, mit Gewalt geschehen. Für die VR China ist Taiwan ein Teil des eigenen Territoriums, über das Peking zwar keine Gewalt hat, das aber doch fest zum eigenen Staatsgebiet gehört. Faktisch hingegen ist Taiwan ein eigener Staat, mit einer eigenen Regierung, einer eigenen Armee und mit einer Demokratie, wie sie lebhafter kaum sein könnte.
Ein chinesischer Angriff auf Taiwan hätte enorme Auswirkungen auf die gesamte Welt, vor allem wirtschaftlich. Einer der wichtigsten Halbleiterhersteller, das Unternehmen Taiwan Semiconductors, hat auf der Insel seinen Sitz. Die Chips von TSMC stecken aktuell weltweit in sämtlichen Elektronikprodukten. Für die USA hat Taiwan zudem eine herausragende strategische Bedeutung. Aufgrund seiner Lage bildet es gemeinsam mit Südkorea, Japan und den Philippinen eine amerikanisch dominierte Kette um China herum. Fällt Taiwan, würde sich für Peking das Tor zum Pazifik öffnen, was eine Weltmacht wie die USA nur schwer zulassen wird. Zudem dürfte der Ukraine-Krieg Peking gezeigt haben, was passiert, wenn man in ein Land einmarschiert und nicht mit offenen Armen empfangen wird, sondern mit massivem Widerstand.
Geduld und Vernunft sind unter all den bekannten politischen und wirtschaftlichen Problemen zukünftig mehr denn je gefragt.
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